Bundesverfassungsgericht – Herausgabe von Telekommunikationsdaten unter Richtervorbehalt – es ändert sich dennoch vorerst nichts!

 

Nach der o.g. Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts sind Regelungen des Telekommunikationsgesetzes, (TKG) die die Speicherung und Herausgabe von Nutzerdaten, Passwörtern und PIN-Codes an staatliche Stellen wie insbesondere Ermittlungsbehörden beinhalten, teilweise verfassungswidrig.

Auskunftsberechtigte sind nach den Regeln der §§ 112, 113 TGK Ermittlungsbehörden und sonstige staatliche Stellen, die entweder im Wege eines automatisierten oder manuellen Verfahrens Daten wie Rufnummern, Anschlusskennungen, Namen und Anschrift des Anschlussinhabers bei den TK-Dienstleistern abfragen können.

Das Bundesverfassungsgericht hält insbesondere die Vorschrift des § 113 TKG (manuelles Auskunftsverfahren) für insoweit verfassungswidrig, da diese einen nicht gerechtfertigten Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung bzw. in das Fernmeldegeheimnis soweit es um die Zuordnung von IP-Adressen zum Anschlussinhaber gehe, darstelle.

Begründet wird dies im Hinblick auf die IP-Adressen Zuordnung – aus rein formellen Gründen – damit, dass gegen das Zitiergebot verstoßen worden sei, da der Wortlaut der Vorschrift den Grundrechtseingriff nicht erwähne. Zitat: „Zum anderen darf die Vorschrift nicht zur Zuordnung von dynamischen IP-Adressen angewendet werden. Dies verbietet sich schon deshalb, weil die Zuordnung von dynamischen IP-Adressen als Eingriff in Art. 10 Abs. 1 GG zu qualifizieren ist. Für solche Eingriffe gilt das Zitiergebot gemäß Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG, wonach der Gesetzgeber das Grundrecht, in das eingegriffen wird, unter Angabe des Artikels nennen muss. Daran fehlt es vorliegend.“

Die Vorschrift ist daher insoweit aus handwerklichen, nicht jedoch per se inhaltlichen Gründen verfassungswidrig. Kritiker fordern zudem die Einführung eines Richtervorbehaltes.

Im Hinblick auf die Herausgabe von Zugangscodes führt das Gericht aus, dass die Befugnisse der Behörden im Zweifel zu weitreichend seien und dass die Schranken zur Erlangung der Daten, etwa im Vergleich zu den Anforderungen der Strafprozessordnung bei z.B. Hausdurchsuchungen (Richtervorbehalt) zu niedrig angesetzt seien.

Zitat: „Dagegen verletzt die Vorschrift des § 113 Abs. 1 Satz 2 TKG das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, weil sie nicht den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes genügt. Die Regelung betrifft die Zugangssicherungscodes, die den Zugang zu Endgeräten sichern und damit die Betreffenden vor einem Zugriff auf die entsprechenden Daten beziehungsweise Telekommunikationsvorgänge schützen. Der Zugriff auf diese Daten ist jedoch in dem Umfang, wie ihn § 113 Abs. 1 Satz 2 TKG regelt, für die effektive Aufgabenwahrnehmung dieser Behörden nicht erforderlich.“

Keine Auswirkungen auf Filesharing-Fälle

Viele unserer Mandanten, die eine Abmahnung wegen Filesharings, also der Verbreitung von urheberrechtlich geschütztem Material in Tauschbörsen erhalten haben, stellen uns die Frage, ob das in ihrem Fall erfolgte Auskunftsverfahren nach dieser Entscheidung rechtswidrig war. Da im Falle des Filesharings die IP-Adresse geloggt wird, von der das geschützte Werk mutmaßlich verbreitet wurde, erwirken die Rechteinhaber Gerichtsbeschlüsse, mit denen die Telekommunikationsanbieter verpflichtet werden, mitzuteilen, welchem Anschluss und damit welchem Inhaber eine bestimmte IP-Adresse zum vermeintlichen Tatzeitpunkt zugewiesen war.

Bei diesem Verfahren handelt es sich jedoch um den privaten Auskunftsanspruch des § 101 Absatz 9 UrhG. Verpflichtete sind wie auch in dem Ausgangsfall vor dem BVerfG die Telekommunikationsanbieter, die Berechtigten sind jedoch Private und nicht staatliche Stellen. Im Gegensatz zum § 113 TKG stellt § 101 Absatz 9 UrhG das Auskunftsverfahren unter den Richtervorbehalt; das heißt, die privaten Auskunftsuchenden können sich im Gegensatz zu den staatlichen Behörden, die Daten nicht ohne weiteres bei den TK-Unternehmen „ziehen“.

Insoweit dürfte die Entscheidung des BVerfG auf die auf § 101 IX UrhG gestützten Auskunftsverfahren keine Auswirkungen haben. Es bleibt abzuwarten, inwieweit die verfassungskonforme Ausgestaltung des § 113 TKG Auswirkungen zeitigt. Da der Gesetzgeber eine Übergangsfrist per Mitte 2013 zur Nachbesserung eingeräumt erhalten hat, kann die bisherige Praxis bis dahin ohnehin weiter angewandt werden.

Es ändert sich vorerst nichts!

Von Karsten Gulden

Rechtsanwalt, Mediator & Konfliktberater - Leitgedanke: Achtsame Kommunikation ist der Bund menschlichen Daseins