Google musste sich durch die Massen der Löschanträge kämpfen. Nun liegen die ersten Ergebnisse vor. Einer unserer Mandanten bekam nun den ersten Negativbescheid von Google. Er beantragte die Entfernung von Suchergebnissen zu einem Blogeintrag, in dem er mit einer religiösen Sektengemeinschaft in Verbindung gebracht wurde.
Einer Klage auf Löschung der Suchergebnisse steht nun in rechtlicher Hinsicht nichts mehr im Wege.
Auszüge aus der Rückmeldung Googles:
„Sehr geehrte Damen und Herren,
vielen Dank für Ihre Anfrage.
Wir haben Ihr Anliegen sorgfältig geprüft und uns entschieden, vorerst keine Maßnahmen zu ergreifen.“
Ok, und warum nicht? Diese –juristisch sehr interessante und entscheidende – Frage beantwortet Google gleich mit:
„Wir sind zu dem Schluss gekommen, dass ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Anzeige der entsprechenden Suchergebnisse fortbesteht.“
Eine komplexe juristische Abwägung widerstreitender Interessen in einem einzigen Satz zu treffen, das gelingt wohl nur den absoluten Spezialisten. Wir sind sprachlos. Kann man gegen diese Entscheidung vorgehen? Auch hier ist Google wieder behilflich:
„Sollten Sie mit der Entscheidung von Google nicht einverstanden sein, besteht unter Umständen für Sie die Möglichkeit, sich an die zuständige Datenschutzbehörde zu wenden.“
Fazit
Google sperrt sich gegen berechtigte Entfernungsanträge und begründet die Ablehnung lapidar mit einem einzigen Satz. Darin liegt nach Ansicht von Google die versprochene und vom EuGH explizit geforderte „sorgfältige“ Prüfung des Sachverhaltes. Das ist eindeutig zu wenig und widerspricht eindeutigem EU-Recht. Wir können den Betroffenen daher nur eindringlich empfehlen, sich gegen negativ beschiedene Entfernungsanträge zur Wehr zu setzen. Nach unserer Rechtsauffassung steht den Betroffenen aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes nach einer ablehnenden Entscheidung des Suchmaschinenbetreibers direkt der Weg zu einer Klage offen. Damit der Sachverhalt tatsächlich „sorgfältig“ überprüft wird.
Immerhin: die weitaus meisten Anträge führten zu Löschungen, in wie viel tausend Fällen ?
Wir können bisher nicht bestätigen, dass die meisten Anträge zu Löschungen seitens Google geführt haben. Die nationalen Gerichte werden nun die Konkretisierungen des Urteils vornehmen müssen. Wir sind gespannt, ob es Unterschiede in der Rechtsprechung in den jeweiligen Mitgliedstaaten bei vergleichbaren Sachverhalten geben wird. Wir sind jedoch zuversichtlich, dass es in einigen Jahren eine europaweite, einheitliche Rechtsprechung geben wird, an der sich Betroffene orientieren können.
Wenig verwunderlich ist, dass der RA des Antragsstellers meint, der Entfernungsantrag sei „berechtigt“. Google sieht das offensichtlich anders. Als Außenstehender lässt sich das mit den hier genannten Informationen nicht beurteilen.
Das jedoch der eine Satz Begründung von Google angeblich nicht ausreicht, halte ich für falsch. Google ist nicht verpflichtet die „komplexe juristische Abwägung widerstreitender Interessen“ zu veröffentlichen. Die haben dem Mandanten halt das Ergebnis dieser Abwägung mitgeteilt (wobei natürlich die Zahl der Anträge bei Google eine allzu intensive Abwägung eher nicht zulässt; die Alternative wäre, dass alle Anträge doppelt so lang zur Bearbeitung brauchen). Immerhin, dadurch dass Google nicht alles durchwinkt, scheinen sie ja tatsächlich etwas zu prüfen.
Und ich gehe mal davon aus, dass sich das fragliche Suchergebnis nicht auf einer deutschen Webseite angeboten wird. Ansonsten müsste man schon fragen, warum nicht direkt gegen den Webseitenbetreiber vorgegangen wird.
einige Anmerkungen zu Ihrem Kommentar, alter Jakob:
Der Sachverhalt spielt in Deutschland. Dies zur klarstellenden Info. Tatsächlich ist es so, dass ein Vorgehen gegen den Webseitenbetreiber die Inanspruchnahme Googles nicht ausschließt. Nach dem Urteil des EuGH können Betroffene allerdings nun auch gegen die Suchmaschinen direkt und selbst dann vorgehen, wenn der Seitenbetreiber NICHT zur Löschung verpflichtet wäre. Das ist neu: Die Entfernung von ehemals rechtmäßigen Einträgen.
Nun noch kurz zur fehlenden Begründung Googles: Der EuGH hat den Suchmaschinen in seiner Urteilsbegründung die Verpflichtung auferlegt, die Begründetheit aller Anträge sorgfältig zu prüfen. Liefert Google nun auf einen ablehnenden Antrag keine Begründung mit, dann bleibt dem Antragsteller keine andere Wahl, als eine gerichtliche Entscheidung herbeizuführen. Dies wird Google noch mehr Zeit kosten und wäre einfach zu verhindern, in dem man den Vorgaben des EuGH nachkäme. Zur Einhaltung der Sorgfaltspflicht gehört auch eine sachgemäße Begründung im Einzelfall. Dies hat Google im geschilderten Fall missachtet. Die Anzahl der Anträge ist dabei kein Entschuldigungsgrund. Wir sind zuversichtlich, dass gerichtliche Verfahren Rechtssicherheit bringen werden.
Mir ist schon klar, dass man mehrgleisig fahren kann. Ich weiß ja auch nicht, ob parallel eine Klage gegen den Seitenbetreiber läuft und wie vielversprechend die ist. Aber grundsätzlich ist bei Löschung des Sucheintrags der Ursprungsartikel immer noch auffindbar und da. Wenn der Ursprungsartikel dagegen gelöscht wird, kann Google nix mehr finden.
Und ich glaube auch nicht, dass Google mehr Zeit verliert, wenn sie einzelne Anträge unbegründet zurückweisen. Die Mehrzahl der zurückgewiesenen Antragssteller wird wohl nicht klagen. Die werden schon eine Kosten/Nutzen-Rechnung gemacht haben (ähnlich wie auch die Versicherungen, die ja auch nicht immer gleich zahlen wollen)
Und natürlich ist die Zahl der Anträge ist insofern ein Entschuldigungsgrund, als dass Google ja auch sicherstellen soll, dass alle Anträge innerhalb einer angemessenen Zeit geprüft werden sollen. Da steckt halt ein Zielkonflikt: Schnell oder gründlich, beides kostet zuviel (zumindest wenn’s nach Google geht). Aber ja, da muss man halt klagen. Sie werden schon wissen, wie die Aussichten sind.
Sie erlauben mir drei Anmerkungen zu Ihrem nachstehend im Auszug wiedergegebenen Beitrag?
1.) „Nach dem Urteil des EuGH können Betroffene allerdings nun auch gegen die Suchmaschinen direkt und selbst dann vorgehen, wenn der Seitenbetreiber NICHT zur Löschung verpflichtet wäre. Das ist neu: Die Entfernung von ehemals rechtmäßigen Einträgen.“
Sie vermischen hier m.E. zwei Dinge: Einerseits den Anspruch auf Löschung (wenn der Sachverhalt in Deutschland spielt könnten Sie auch das insoweit einschlägige BDSG bemühen, statt der DSRL), und andererseits die (tatsächliche) Verknüpfung mit dem ursprünglichen Beitrag / der ursprünglichen Website.
Natürlich hat Datenverarbeitung zu unterbleiben, wenn es keinen Erlaubnistatbestand gibt. Das sieht schon § 4 I BDSG vor, und zwar nicht erst seit dem besprochenen Urteil. Hier ist das Interesse des Betroffenen gegen die eigenen Interessen Googles abzuwägen (§ 28 I Nr. 2 BDSG – bzw. Art. 14 lit a) iVm Art. 7 lit f) DSRL). Auch das ist nicht neu.
Neu ist der sehr deutliche Ausspruch des EuGH, dass die Verarbeitung von pbD durch Google als Aggregator unzulässig sein kann, auch wenn die Verarbeitung desselben pers.bez. Datums durch den ursprünglichen Websitebetreiber nach wie vor zulässig wäre / ist.
2.) „Nun noch kurz zur fehlenden Begründung Googles: Der EuGH hat den Suchmaschinen in seiner Urteilsbegründung die Verpflichtung auferlegt, die Begründetheit aller Anträge sorgfältig zu prüfen.“
Korrekt. Die verarbeitende Stelle hat die Anträge auf deren Begründetheit zu prüfen – so auch in den Tz. 77 und 96 des Urteils angesprochen. Was Sie nicht erwähnen ist, dass der EuGH mitnichten eine Begründungspflicht der verarbeitenden Stelle (die auch die DSRL wohl nicht hergibt) eingeführt hat. Dazu aus dem Urteil:
„[77] […] Gibt der für die Verarbeitung Verantwortliche den Anträgen nicht statt, kann sich die betroffene Person an die Kontrollstelle oder das zuständige Gericht wenden, damit diese die erforderlichen Überprüfungen vornehmen und den für die Verarbeitung Verantwortlichen entsprechend anweisen, bestimmte Maßnahmen zu ergreifen.“
Im Übrigen begegnet schon Ihre Gleichsetzung von ‚Begründung‘ und ‚Prüfung in der Sache‘ Bedenken: Nur weil etwas nicht umfangreich begründet wird, kann es dennoch zuvor geprüft worden sein. So verwirft der BGH z.B. Revisionen nach § 349 StPO unbegründet – aber sicherlich nicht ungeprüft.
3.) „Liefert Google nun auf einen ablehnenden Antrag keine Begründung mit, dann bleibt dem Antragsteller keine andere Wahl, als eine gerichtliche Entscheidung herbeizuführen. Dies wird Google noch mehr Zeit kosten und wäre einfach zu verhindern, in dem man den Vorgaben des EuGH nachkäme.“
Selbst wenn Sie meinen obigen Anmerkungen zu den Pflichten der verarbeitenden Stelle nicht zustimmen möchten, glaube ich, dass Google sich entsprechend des Urteils (und der schon vorher geltenden Rechtslage) verhält. Auch dazu aus dem Urteil:
„[98] […] Da im vorliegenden Fall offenbar keine besonderen Gründe vorliegen, die ein überwiegendes Interesse der Öffentlichkeit daran rechtfertigten, im Rahmen einer Suche anhand des Namens der betroffenen Person Zugang zu den genannten Informationen zu erhalten – was zu prüfen jedoch Sache des vorlegenden Gerichts ist –, kann die Person nach Art. 12 Buchst. b und Art. 14 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 95/46 die Entfernung der Links aus der Ergebnisliste verlangen.“
Die Prüfung, ob eine Datenverarbeitung nach § 28 I Nr. 2 BDSG gerechtfertigt ist, obliegt den nationalen Gerichten. Und genau dort hin wird die Sache nun ja wohl auch wandern, nachdem Google seine Rechtsansicht dargelegt hat.
Und an dem Punkt bin ich dann natürlich auch wieder bei Ihnen: Hier führt der Weg nicht über die Datenschutzbehörde, sondern das Gericht.