Internet Pranger – die Bloßstellung im Netz verstößt gegen die Menschenwürde
Pranger machen sich derzeit im Internet breit: Die Bloßstellung von Menschen – abrufbar für Jedermann.
Es kommt immer wieder vor, dass Zeitungen oder Seitenbetreiber zur Anprangerung aufstacheln und dabei die Würde der Menschen verletzen, die am Pranger landen.
UPDATE 21.10.2015
Jüngstes Beispiel: Die Anprangerung vermeintlicher Hetzer in der Bild und auf Bild.de samt Profilbild, Namensnennung und Kommentartext. Einer der dort angeprangerten Medienopfer hat sich bereits mit uns in Verbindung gesetzt, um gegen diese aktuelle Anprangerung in der Bild und auf Bild.de vorzugehen.
Es werden Facebook-Kommentare von Personen samt Profilbild zum Abruf bereitgehalten und die Personen werden in eine bestimmte Ecke gedrängt. Diese Art und Weise der Berichterstattung steht selbstverständlich nicht im Einklang mit unserer Rechtsordnung. Kein Mensch muss es dulden, an den Pranger gestellt zu werden, egal, was er gemacht hat und welche Gesinnung er hat. Pranger ist Pranger, egal welche Moral dahinter steckt.
Internet-Pranger und Recht
Internet-Pranger und unsere Verfassung sind nicht in Einklang zu bringen. Zu viele Rechte werden verletzt, wenn ein solcher Online-Pranger geschaffen wird. Und das geht ja bekanntlich schnell. Eine kleine Parole, ein paar geklaute Bilder und schon geht es los.
Recht am eigenen Bild, Wort und Namen
Es werden zahlreiche Rechte verletzt. Das Recht am eigenen Bild, Wort und Namen werden verletzt, wenn Personen ungefragt in die Medienpresse hineingerissen werden – samt Bild, Namen und Aussagen. Will die Presse Bildnisse von fremden Personen verwenden, dann müssen die Personen grundsätzlich um Erlaubnis gebeten werden. Und nein, es handelt sich bei diesen Personen meist nicht um Personen, die von zeitgeschichtlicher Relevanz sind. Dafür sind sie viel zu klein. Aber auch zu klein, um auf der Titelseite einer Volkszeitung zu landen – samt Name und Bildnis. Ein solches Vorgehen ist sogar strafbar und kann auf Antrag verfolgt werden. Es erfolgt eine nachhaltige Stigmatisierung, die zu irreparablen Schäden führen kann, vgl. BGH, Urteil vom 21.11.2006, Az. VI ZR 259/05 – Klinikgeschäftsführer).
Das öffentliche Informationsinteresse geht nicht so weit, dass Einzelne, die in den Sozialen Medien Kommentare posten, zum Abschuss durch die Presse freigegeben werden.
Im Fall der Bild hätte eine anonymisierte Berichtersattung ebenso zur Meinungsbildung beitragen können. Die Nennung der Namen und Darstellung der Bildnisse erfolgte aus Gründen der Effekthascherei mit dem Ziel der Anprangerung. Das Informationsinteresse der Öffentlichkeit hat daher zurückzutreten. Die Angeprangerten Personen dürften in den meisten Fällen ungerechtfertigt in ihrer Sozialspähre verletzt sein.
Geldentschädigung Internetpranger
Die Verantwortlichen eines Internet-Prangers müssen sich auch darauf einstellen, zivilrechtlich umfassend in Haftung genommen zu werden, wenn der kleine Mann kommt, dessen Ruf nun endgültig zerstört wurde. Auch dieser kleine Mann hat einen Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung, wenn die Medienpresse ihn wieder ausspuckt. Erforderlich sind Anhaltspunkte, dass nachhaltige Schäden höchstwahrscheinlich eintreten.
„Ein rufschädigender Artikel – beispielsweise auf der Titelseite – einer weit verbreiteten Tageszeitung mit hoher Auflage kann das Ansehen des Betroffenen wesentlich nachhaltiger schädigen als eine Internetmeldung in einem wenig bekannten Portal, das nur begrenzte Nutzerkreise anspricht“, Bundesgerichtshof, Urteil vom 17.12.2013 (VI ZR 211/12)
Internetpranger und Identitätsdiebstahl
Fatal wird das Ganze, wenn Personen am Internetpranger landen, über die ein Fake-Profile erstellt wurde – sog. Identitätsdiebstahl. Diese Personen werden dann diffamiert und angeprangert, obwohl eine Dritte Person die Äußerungen aufgestellt hat.
Sind Internetpranger immer unzulässig?
Ja, denn der Zweck heiligt nicht die Mittel. Ein Pranger im Internet verstößt immer gegen die Achtung der Menschenwürde, egal, was der oder die Verantwortlichen mit dem Pranger bezwecken. Anders ist dies zu beurteilen, wenn sachlich und unter Einhaltung journalistischer Grundsätze Bericht erstattet wird. Dann liegt auch kein Pranger vor.
Internetpranger und Fahndungsaufrufe
Internetpranger weisen eine ähnliche Problematik auf, wie auch Fahndungsaufrufe. Die Initiatoren wollen sich in vielen Fällen für eine gute Sache einsetzen und der vermeintlichen Allgemeinheit helfen.
Mit einem solchen privaten Fahndungsaufruf kann man jedoch die Persönlichkeitsrechte des Betroffenen verletzen, insbesondere das Recht am eigenen Bild, sowie gegen diverse Strafgesetze verstoßen.
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass auch ein Straftäter, das heißt, selbst wenn der in dem Fahndungsaufruf vorgetragene Verdacht sich als wahrheitsgemäß herausstellt, ein Recht am eigenen Bild hat. Hat die Person, die den Fahndungsaufruf gestartet und veröffentlicht hat, nicht die Zustimmung des Abgebildeten, also des vermeintlichen Täters, verletzt die Verbreitung des Fotos die Persönlichkeitsrechte des Abgebildeten und verstößt gegen § 22 KUG.
Die Ahndung und Verfolgung von Straftaten obliegt den zuständigen Ermittlungsbehörden und nicht den Medien.
Solche Fahndungsaufrufe (Öffentlichkeitsfahndung) dürfen daher auch nur von den Ermittlungsbehörden (Polizei und Staatsanwaltschaften) durchgeführt werden.
öffentliche Kommentare und Postings
Wer sich öffentlich im Internet äußert, muss Gegenkommentare hinnehmen (öffentlicher Meinungskampf). Nicht hingenommen werden müssen strafbare Äußerungen wie Beleidigungen, Verleumdungen oder Üble Nachreden. Ebenso erteilt derjenige, der sich öffentlich äußert, damit nicht sein Einverständnis, dass sein Bild auf der Titelseite eines Online-Mediums platziert wird. Hier müssen die Redakteure vorher die Einwilligung der abgebildeten Person einholen, denn
der öffentliche Meinungskampf rechtfertigt weder Volksverhetzung noch Anprangerung!