In den bekannten Abmahnungen wegen Urheberrechtsverletzungen / Filesharing (bspw. der Kanzleien Waldorf Frommer, Rasch, Sasse und Partner, Daniel Sebastian, etc.) wird immer wieder darauf hingewiesen, dass die Höhe des geforderten Schadensersatzes, welche in der Regel mehrere hundert Euro beträgt, vollkommen angemessen sei. Die Kanzlei Waldorf Frommer fordern beispielsweise für einen Spielfilm 600,00 € Schadensersatz (fiktive Lizenzgebühr). Die Kanzlei Rasch aus Hamburg machte in mehreren Klageverfahren für ein Musikalbum Schadensersatz in Höhe von 2500,00 € geltend. Viele Gerichte haben in der Vergangenheit diese geforderten Summen unkritisch übernommen.
In unseren Schriftsätzen an die jeweilige Gegenseite haben wir immer wieder darauf hingewiesen, dass diese Schadensersatzforderungen nicht angemessen sind und an der Realität vorbeigehen.
Schadensersatz zu hoch – Abmahnung Filesharing– AG Köln Az: 125 C 495/13
Das Amtsgericht Köln (Urteil v. 10.03.2014, Az: 125 C 495/13) sieht dies in einem aktuellen Verfahren ähnlich. In seiner kürzlich veröffentlichten Entscheidung deckelte das Kölner Gericht die Höhe des Schadensersatzes bei Filesharing auf 10,00 € pro Musiktitel.
Die Klägerin, eine der führenden deutschen Tonträgerherstellerinnen, verlangte von dem Beklagten Schadensersatz in Höhe von mind. 200,00 € pro Musiktitel. Sie bezog sich dabei auf eine Vielzahl von Gerichtsentscheidungen in ähnlichen Fällen. Das Amtsgericht Köln erkannte nun einen Schadensersatz zu, der deutlich unter den zugesprochenen Beträgen von anderen Gerichten liegt.
Technische Aspekte
Das Gericht begründete seine Entscheidung unter anderem mit technischen Aspekten:
„Filesharing unterscheidet sich von fast allen anderen Urheberrechtsverletzungen insoweit, als das nicht einzelne Verletzer das Werk nutzen und an eine regelmäßig wesentlich größere Öffentlichkeit weiterverbreiten, sondern die Gruppe der Urheberrechtsverletzer und der Nutzer weitgehend identisch ist.“
Anonymer Datenaustausch
Filesharing-Netzwerke seien auf eine möglichst schnelle Weiterverbreitung der getauschten Dateien ausgelegt, wobei der einzelne Teilnehmer keine hervorgehobene Rolle spiele:
„Filesharing stellt sich als anonymer Austausch von Dateien dar, bei der die einzelne Teilnahme keine nennenswerten Folgen zeitigt. Würde die einzelne Teilnahme nicht stattfinden, so würden spätere Nachfragen nach dem betroffenen Werk durch Benutzung und Zusammensetzung von Dateifragmenten anderer Teilnehmer des Netzwerks befriedigt.“
Maximal 10,00 € pro Musiktitel
Bei der Berechnung des Schadensersatzes nach der Lizenzanalogie liege das Lizenzentgelt für die Legalisierung der Teilnahme an dem Filesharing generell in der Größenordnung der Entgelte für die legale Nutzung, etwa dem Kaufpreis für eine entsprechende CD. Das Gericht berücksichtigt dabei,
„dass kein Rechteinhaber die Kontrolle über die Verbreitung seiner Werke gerne und preisgünstig abgibt.“
Zurzeit gebe es allerdings Flatrates von weniger als 10,00 € pro Monat für die Nutzung von ca. 20 Mio. Titel. Deshalb seien 10,00 € pro Musiktitel unter Berücksichtigung aller Umstände als im obersten Bereich anzusiedeln und völlig angemessen.
Völlig außer Verhältnis
Das Gericht ist sich bewusst, dass das Filesharing der Musikindustrie erhebliche Schäden zufügt und es illegal und zu bekämpfen ist. Dies könne aber nicht dadurch geschehen, dass
„den Filesharing-Teilnehmern Schadensersatzbeträge auferlegt werden, die zu dem durch den jeweiligen Tatbeitrag eingetretenen Schaden völlig außer Verhältnis steht.“
Gesetz gegen unlautere Geschäftspraktiken
Vor allem durch das Gesetz gegen unlautere Geschäftspraktiken habe der Gesetzgeber die Verfolgung von Urheberrechtsverstößen im Filesharing-Bereich bewusst eingeschränkt, da
„Die Betroffenen, obwohl sie selbst entweder keine oder nur vergleichsweise geringfügige Rechtsverstöße begehen, erheblichen Verluste finanzieller oder immaterieller Art hinnehmen müssen“.
4000,00 € völlig unangemessen
Angesichts dieser gesetzgeberischen Tendenzen sei ein „Strafschadensersatz“, der auch nur in die Nähe der von der herrschenden Rechtsprechung bislang zuerkannten Beträge kommt, kaum zu erwarten.
„Schadensersatzansprüche von insgesamt annähernd 4000,00 € für die Filesharing-Teilnahme mit einem einzigen Musikalbum erscheinen als völlig unangemessen.“
Deckelung der Abmahnkosten
Nach Auffassung des Gerichts ist der Unterlassungsanspruch mit einem (niedrigen) Streitwert von 1000,00 € anzusetzen. Dieser Streitwertansatz gebe das Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken in dem neu eingeführten § 97a Abs. 3 UrhG vor. Zwar sei die Regelung auf Altfälle nicht direkt anwendbar, allerdings sei ein Streitwert von 1000,00 € „sicherlich nicht zu niedrig angesetzt“.
Kein Vorschub für die Abmahnindustrie
Das Gericht stellt sich deutlich auf die Seite der Filesharing-Teilnehmer.
„In den Augen der interessierten Öffentlichkeit hat sich ein „Abmahnwesen“ bzw. eine „Abmahnindustrie“ etabliert. Dem ist nicht gegen den erkennbaren Willen des Gesetzgebers durch die Zubilligung überhöhter Streitwerte Vorschub zu leisten. In der Öffentlichkeit wird die herrschende Abmahnpraxis als „Abzocke“ wahrgenommen.“
Dem ist nichts hinzuzufügen. Es bleibt zu hoffen, dass andere Gerichte in Zukunft einen ähnlichen Standpunkt einnehmen.
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