Umstrittener Anwalt, Winkeladvocat, Heuchler

Im Zeitalter der neuen Medien werden auch immer öfter Anwälte verbal angegriffen. Der ein oder andere Kollege mag sich dies selbst zuzuschreiben haben. Dennoch: Auch Anwälte sind in der Regel Menschen, die vom Gesetz geschützt werden können. Dies ist jedoch nicht immer einfach, wie ein aktueller Fall zeigt.

Ein Rechtsanwalt, über den es in einem Artikel eines Online-Magazins hieß, er gelte bei vielen als „umstritten“, versuchte erfolglos vor dem Landgericht Leipzig eine einstweilige Verfügung gegen diese Äußerung zu erwirken. Auch seine Beschwerde vor dem OLG Dresden (4 w 1036/12) hatte keinen Erfolg. Das Gericht sah den Unterlassungsanspruch aus §§ 1004 I 2, 823 I BGB i.V.m. Art. 2 I, 1 I GG nicht als gegeben an.schmähkritik

Wieso?

Im Gegensatz zu Tatsachenbehauptungen muss bei Werturteilen zwischen dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht und der Meinungsfreiheit aus Art. 5 I 1 GG abgewogen werden. Da die Äußerung, der Anwalt gelte „in der Reisebranche als umstritten“ – trotz einer Vermengung von Tatsachen und Meinungen – überwiegend durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens und des Meinens geprägt ist, sei hier von einem Werturteil und damit der Anwendbarkeit des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung auszugehen.

Winkeladvocat

Zwar lässt die Äußerung „umstritten“ das Verständnis zu, der Rechtsanwalt gelte in Kollegialkreisen als unseriös, da auch der Begriff „umstritten“ lexikalisch als synonym zu den Begriffen bestreitbar, fragwürdig und zweifelhaft verwendet werden kann. Laut OLG sei dies aber nicht die einzige mögliche Interpretation, denn „umstritten“ deute auch daraufhin, dass es neben Kritikern auch Befürworter gebe. Anders ist es z. B. bei der Bezeichnung als „Winkeladvokat“, die, wie das OLG Köln zu Recht annahm (Urteil vom 18.07.2012, 16 U 184711), nicht anders als herabsetzend interpretiert werden kann.

Das kann so gesehen werden.

Immer abwägen?

Eine Abwägung zwischen den beiden Grundrechten muss aber ausnahmsweise nicht stattfinden, wenn es sich bei den Äußerungen um eine sog. Schmähkritiken oder Formalbeleidigungen handelt. Allerdings ist eine Meinungsäußerung nicht schon wegen ihrer herabsetzenden Wirkung für Dritte eine Schmähung. Auch eine überzogene und selbst ausfällige Kritik macht für sich genommen eine Äußerung noch nicht zur Schmähung (BVerfG NJW 1991, 95). Die Grenze ist erst überschritten, wenn nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Herabsetzung einer Person im Vordergrund steht.

Heuchler

Wird ein Anwalt bspw. als „Heuchler“ betitelt kann dies eine Schmähung der Person darstellen, auch wenn die Moral zu einem anderen Ergebnis gelangt.

 

Von Karsten Gulden

Rechtsanwalt, Mediator & Konfliktberater - Leitgedanke: Achtsame Kommunikation ist der Bund menschlichen Daseins

3 Kommentare

  1. Kleiner Hinweis am Rande: Die von Ihnen zitierte „Winkeladvokat“/“Winkeladvokatur“-Entscheidung des OLG Dresden wurde vom BVerfG mit Beschluss vom 02.07.2013 zum Aktenzeichen 1 BvR 1751/12 aufhgehoben. Diese Bezeichnung war zulässig.

  2. Nicht nur Anwält/e/innen: auch Bank-Manager/innen, Ärzt/e/innen, Politiker/innen u.s.w..

    Aber es ist doch sehr heuchlerisch und zwar auf hohem Niveau. Das sind durchaus Personenkreise, die sehr viel Geld verdienen, aber doch dann heulen, wenn sie es persönlich betrifft und dann das auch noch streitig machen. Das ist eben die Kehrseite von solchen Berufen!

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