Die Hamburger Richter haben etwas getan, was sein musste: Die Schaffung eines Ausgleichs zwischen der Informationsfreiheit und dem Schutz der Privatsphäre Einzelner.
In dem aktuellen Urteil wurde festgestellt, dass der Seitenbetreiber für Beiträge haftet, die das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen nach Erlöschen des allgemeinen Informationsinteresses beieinträchtigen. Der Betreiber der Seite muss dann die Inhalte seiner Seite derart modifizieren, dass der Beitrag durch Eingabe des Namens des Betroffenen in Internet-Suchmaschinen nicht mehr auftaucht, OLG Hamburg Az.: 7 U 29/12, Urteil vom 07.07.2015.
Mein erster Gedanke war: Zensur? Also Quasi-Zensur? Dann habe ich mir das Urteil einmal näher angeschaut. Und? Es überzeugt größtenteils. Unklar ist zwar, wie die Seitenbetreiber den Anforderungen gerecht werden sollen, die die Hamburger Richter aufstellten, aber das wird spätestens im Revisionsverfahren geklärt werden. Die Richter blieben nämlich die Antwort auf die Frage schuldig, wie der Seitenbetreiber dafür Sorge tragen soll, dass die Inhalte derart modifiziert werden, dass der Beitrag durch Eingabe des Namens des Betroffenen in Internet-Suchmaschinen nicht mehr auftaucht.
Idee: Statt des Namens einfach ein Kürzel verwenden.
Fakt ist, dass das Urteil einen erheblichen Eingriff in die Berichterstattungsfreiheit darstellt. Das ist richtig. ABER: Nicht minder schützenswert sind die Interessen derer, über die in der Vergangenheit berichtet wurde, dass eben deren Ansehen in der Öffentlichkeit nicht auf alle Ewigkeiten beeinträchtigt wird. Stichwort: Recht auf Vergessenwerden. Wer einmal in den Strudel der Presse gelangt hat kaum eine Chance auf Rehabilitation. Seit dem gleichnamigen EuGH-Urteil können Personen, deren Persönlichkeitsrechte verletzt werden, sich zumindest mit der Bitte um Löschung an die Suchmaschinen wenden, um diese zu einer Blockierung der Links und Löschung von Einträgen aufzufordern. Was bisher jedoch fehlte, war die Möglichkeit eines Vorgehen gegen den „Täter“ selbst. So wird die Sache wieder stimmig, so das OLG:
…kann es erst recht auch dem Urheber des betreffenden Beitrages…angesonnen werden, Vorkehrungen dagegen zu treffen, dass dieser Beitrag zu einer stetig fließenden Quelle von Beeinträchtigungen persönlichkeitsrechtlicher Belange des Betroffenen wird.
Von einer Quasi-Zensur kann also keine Rede sein, da die Beiträge recherchierbar bleiben und nur im äußersten Einzelfall die Abwägung zu dem Ergebnis führen dürfte, dass die Interessen der Presse zurückstehen müssen. Es ist für die Betroffenen dennoch gut zu wissen, dass man nun auch in Deutschland das Rehabilitationsinteresse Einzelner aktuell gerichtlich untermauert und anerkennt.
Fachanwalt für Medienrecht K.Gulden, LL.M.:
Das Internet wird auch künftig nur das vergessen, was rechtlich notwendig ist.