Warum Erdogan auch gegen den Springer-Chef Döpfner rechtlich mit Erfolg vorgehen kann

Erdogan geht nach Medienberichten nun auch gegen den Springer-Chef Döpfner vor. Erdogan soll eine einstweilige Verfügung gegen Döpfner beantragt haben. Das zuständige Landgericht Köln ließ bereits durchblicken, dass die Verfügung wohl nicht erlassen werde. Das könnte juristisch betrachtet ein Fehler sein.

Döpfner äußerte sich in einem offenen Brief in der Welt am Sonntag wie folgt:

 

„Ich finde Ihr Gedicht gelungen. Ich habe laut gelacht,“

„In Deutschland brach eine Art Staatskrise aus, nur weil Sie Herrn Erdogan als ‚Z………“  („Z……..“ abgeändert durch den Verfasser, da die Beleidigung nicht weiter verbreitet werden soll) bezeichnet haben.“

„Ich möchte mich, Herr Böhmermann, vorsichtshalber allen Ihren Formulierungen und Schmähungen inhaltlich voll und ganz anschließen und sie mir in jeder juristischen Form zu eigen machen.“

 

Wie sind Äußerungen Döpfners juristisch zu bewerten?

Zu unterscheiden sind zunächst fremde Inhalte, auf die verwiesen wird von eigenen Inhalten, deren Urheber man ist.

Äußert man sich als Urheber daneben, haftet man als Täter. Verweist man lediglich auf fremde Inhalte, hat dies meist keine Konsequenzen, wenn diese Inhalte rechtmäßig sind.

Döpfner macht vorliegend beides.

Döpfner verweist zum Einen auf das Schmähgedicht Böhmermanns und zum Anderen stellt er unmissverständlich klar, dass er sich das Gedicht mit sämtlichen Inhalten zu Eigen macht. Aus der Sicht des Durchschnittsnutzers identifiziert sich Döpfner vollends mit dem Inhalt des Schmähgedichts.

Im Ergebnis verbreitet Döpfner die wohl rechtswidrigen Inhalte des Schmähgedichts weiter.

Was bedeutet das zu Eigen machen nun?

Macht sich der Äußernde fremde Inhalte zu Eigen, dann wird er so behandelt, als stammten die Äußerungen direkt von ihm. Böhmermanns Schmähgedicht werte ich nach wie vor als unzulässige Schmähkritik, die strafbare Inhalte aufweist (Beleidigung Erdogans). Folglich wäre auch Döpfner nun angreifbar, zivilrechtlich als auch strafrechtlich – und zwar als Täter. Er könnte sich wegen Beleidigung Erdogans strafbar gemacht haben. Zudem könnte er sich zivilrechtlich wegen einer Persönlichkeitsrechtsverletzung Erdogans haftbar gemacht haben vgl. BGH I Z R 7 4 / 1 4 – 18. Juni 2015 sowie BGH VI ZR 211/12 – 17. Dezember 2013.

Döpfner beabsichtige eine Breitenwirkung mit dem offenen Brief. Diese verkaufsfördernde Maßnahme bekräftigt das zu Eigenmachen, BGH VI ZR 211/12 – 17. Dezember 2013.
Kann Döpfner einer Bestrafung oder zivilrechtlichen Verfolgung entgehen?

Ja, wenn es ihm gelingt nachzuweisen, dass er Böhmermanns Schmähgedicht einer juristischen Prüfung unterzogen hat. Ihn treffen erhöhte Sorgfaltspflichten, da bekannt war, dass die Äußerungen Böhmermanns mglw. rechtswidrig waren. Dabei muss er zu dem Ergebnis gelangt sein, dass Böhmermanns Schmähgedicht zulässig und nicht strafbar gewesen ist, vgl. BGH I Z R 7 4 / 1 4 – 18. Juni 2015. Dabei kommt es nicht darauf an, ob es sich um eine klare Rechtsverletzung handelt oder um einen Streitfall wie in der Causa Böhmermann.

Ergebnis:

Sollte das LG Köln dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen Döpfner nicht stattgeben, wäre jedenfalls der Klageweg zulässig und womöglich auch begründet.

Von Karsten Gulden

Rechtsanwalt, Mediator & Konfliktberater - Leitgedanke: Achtsame Kommunikation ist der Bund menschlichen Daseins

6 Kommentare

  1. könnte, könnte… die eigentliche Frage haben Sie ja noch nicht beantwortet. Und man sollte doch nicht glauben, dass ein Herr Döpfner derartige Aussagen nicht zuvor massiv einer/mehreren juristischen Prüfung(en) unterzogen und diese ganz bewusst exakt so formuliert vorgenommen hat.

  2. Und wie wirkt es sich aus, dass Döpfner sich „nur“ die Inhalte des Gedichts zu eigen macht, dessen Inhalt aber nicht weiter verbreitet? Der Leser des offenen Briefs weiß ja nicht, als was Erdogan im Gedicht bezeichnet wird und ob tatsächlich die Diffamierung der Person im Vordergrund steht. Bzw. nur der Kenner des Gedichts erkennt auch die Beleidigung. Der Adressatenkreis des Gedichts wird jedoch nicht erweitert. Quasi ein Teilnehmer an einer fremden Beleidigung.

  3. Strafrechtlich kann dieser Umstand sicherlich berücksichtigt werden. Nun verwendet er aber auch DAS Schlagwort des Gedichts (Z…..), macht sich diese Beleidigung zu Eigen und hält dies auch zum Abruf bereit, womit eine Verbreitung stattfindet.

  4. Auch wenn ich Ihren Beitrag sehr begrüße, müssen Sie bitte die Zitatregeln einhalten. Nachdem Sie das Zitat entstellt haben, müssen Sie das auch entsprechend kennzeichnen.

    Mathias Döpfner zitiert nämlich ebendieses ‚Z-Wort‘ (Z-Wort eingefügt durch Autor und abgeändert durch Autor nach Rücksprache mit Kommentator – die Beleidigung wurde ursprünglich ausgeschrieben; Anmerkung des Verfassers) – wortwörtlich und zensiert es nicht:

    http://www.welt.de/debatte/kommentare/article154171281/Solidaritaet-mit-Jan-Boehmermann.html

    In Ihrem Beitrag geben Sie das Zitat falsch wieder, da Sie die Beleidigung zensieren, sodass der Eindruck entsteht, Döpfner hätte die Beleidigung gar nicht wiedergegeben, sondern lediglich darauf verwiesen. Das ließe das Ganze auch in rechtlicher Hinsicht in einem ganz anderen Licht erscheinen, was nicht Sinn der Sache sein kann.

    Ansonsten wie gesagt danke für Ihre Meinung. Mir geht der allgemeine Tenor ‚Erdogan ist immerhin ein Arsch, dann darf man den ruhig beleidigen‘ mittlerweile sehr auf die Nerven.

  5. Jetzt, wo nachträglich kenntlich gemacht ist, dass das Wort im Original des Döpfnertextes ausgeschrieben war, wird Ihre Rechtsauffassung nachvollziehbarer. Das LG Köln hat meinen Einwand jedenfalls auch im ZivilR angewandt und die sehr eingeschränkte wörtliche Zitierung des Gedichts für nachrangig erachtet:

    „Ein Unterlassungsanspruch Erdogans folge auch nicht daraus, dass Döpfner möglicherweise rechtswidrige Äußerungen Böhmermanns verbreitet hätte, denn allein in der Bezugnahme auf die nicht wörtlich wiedergegebenen Drittäußerungen und dem damit verbundenen ausdrücklichen Zu-Eigen-Machen liege keine Verbreitung dieser Äußerungen. Dies gilt auch, soweit Döpfner jedenfalls eine einzelne Äußerung Böhmermanns wörtlich wiedergibt, denn er rechnet diese Äußerung erkennbar Herrn Böhmermann zu und setzt sich mit dem wiedergegebenen Wort nur beispielhaft im Rahmen der zulässigen öffentlichen Kontroverse auseinander, ohne losgelöst vom bereits in der Artikelüberschrift wiedergegebenen Kontext „Kunst- und Satirefreiheit“ den türkischen Staatspräsidenten selbst mit einer solchen Äußerung zu belegen.“
    (Pressemitteilung des LG)

  6. Sie gehen davon aus, dass Böhmermanns „Erdogan-Schmähgedicht“ eine unzulässige Schmähkritik mit strafbarem Inhalt sei. Ihr Kernargument: Feind und Anfeindungen lägen zu weit auseinander. Die Aussagen des Gedichts hätten nichts mit einem satiretauglichen und vorwerfbaren Fehlverhalten Erdogans zu tun.

    Meines Erachtens ist diese Einschätzung falsch. Mit seinen einleitenden Worten zur Verlesung des „Schmähgedichts“ stellt Böhmermann dieses in den Kontext der politischen Handlungen Erdogans in der Türkei: „Was die Kollegen von Extra3 gemacht haben, also inhaltlich humorvoll mit dem umgegangen sind, was Sie da politisch unten tun, Herr Erdogan, das ist in Deutschland, in der EU gedeckt von der Kunstfreiheit, von der Pressefreiheit, Art. 5 unseres Grundgesetzes.“

    Böhmermanns Worte umreißen den Hintergrund seines „Schmähgedichts“, den es zunächst näher auszuleuchten gilt. Hierzu ist ein Artikel von Deniz Yücel (Istanbul) hilfreich, der am 18. April 2016 unter der Überschrift „Der Leberwurst-Komplex. Wen Erdogan verklagt“ auf Welt online veröffentlicht wurde.

    Quelle: http://m.welt.de/politik/ausland/article154435450/Der-Leberwurst-Komplex-Wen-Erdogan-verklagt.html

    Das hier geschilderte skrupellose Verhalten Erdogans ist der zentrale Anknüpfungspunkt für Böhmermanns Satire. Wie in diesem Artikel erschreckend dargestellt wird, benutzt Erdogan gerade die Behauptung, er sei beleidigt worden, in grassierend-inflationärem Umfang, um Gegner und Kritiker durch Beleidigungsklagen einzuschüchtern und mundtot zu machen. Sein Versuch, wegen des harmlosen Extra3-Liedchens dieses Vorgehen auch auf Deutschland auszuweiten, hat viele vermutlich erst auf die beispiellosen Vorgänge in der Türkei aufmerksam werden lassen und war dann auch der unmittelbare Anlass für Böhmermanns Satire.

    Einen kurzen Ausschnitt aus diesem Artikel möchte ich zur Verdeutlichung zitieren:

    „In der siebenjährigen Amtszeit von Erdogans Vorgänger Abdullah Gül genehmigte das Justizministerium 545 Anklagen gemäß Paragraph 299 des Türkischen Strafgesetzbuches, der für die “Beleidigung des Staatspräsidenten” bis zu vier Jahre Haft vorsieht. In den nicht mal zwei Jahren seit Erdogans Vereidigung waren es hingegen schon 1845 Fälle, wie Justizminister Bekir Bozdag Anfang März bekannt gab.
    Seither dürfte die Marke von 2.000 überschritten worden sein. Die Zahl wird nun immer wieder zitiert. Doch sie erfasst das Ausmaß des Leberwurst-Komplexes nicht mal annähernd.
    Denn nicht mitgezählt sind dabei Erdogans Zivilklagen auf Schmerzensgeld, die Disziplinarverfahren gegen Angestellte des öffentlichen Dienstes oder Studenten sowie die Verfahren wegen “Beleidigung einer Amtsperson” aus Erdogans Zeit als Ministerpräsident, zu denen auch das Gollum-Verfahren gehört. Nicht mitgezählt sind schließlich die Beleidigungsanzeigen gegen Parlamentsabgeordnete, die Immunität genießen. “Wenn man all das zusammennimmt, sprechen wir von über 10.000 Verfahren”, sagt der Jurist Kerem Altiparmak von der Universität Ankara, der das Thema erforscht. “Das ist eine ganze Industrie, die ein politisches Ziel verfolgt: einschüchtern und abschrecken.”

    Vermutlich kann sich niemand der Erkenntnis entziehen, dass Erdogans gleichermaßen egomanisch wie politisch motivierter Beleidigungs-Verfolgungswahn international einzigartig drastische Ausmaße angenommen hat, mit gleichermaßen drastischen Folgen für viele der von Erdogans Verfolgungswahn Betroffenen.

    Darf nun Satire dieses drastische Verhalten Erdogans mit ihren Mitteln, also auf ebenso drastische Weise, aufgreifen? Oder klar ausgedrückt: auf einen groben Klotz auch einen groben Keil setzen?

    Böhmermanns satirischer Ansatz war folgender: Wenn Erdogan den Straftatbestand angeblicher Beleidigungen in der geschilderten Weise für seine persönlichen politischen Zwecke skrupellos missbraucht und dafür schlicht ins Absurde übertreibt – sogar mit Auswirkungen bis nach Deutschland -, dann ist auch ein „Schmähgedicht“ gerechtfertigt, das tatsächliche Beleidigungen Erdogans seinerseits ins Absurde übertreibt – ein satirischer Spiegel, der Erdogan drastisch vorführt, wann er wirklich Grund dazu hätte, sich geschmäht zu fühlen. Diesen Kontext hat Böhmermann vor Verlesung des Gedichts explizit deutlich gemacht und ausgeführt.

    Erst die Kombination dieses Kommentars mit dem Gedicht und seine Bezugnahme auf das reale Verhalten Erdogans führt zu einer angemessenen Gesamtbetrachtung. Diese aber macht aus der Ansammlung formaler – und offenkundig für jedermann erkennbar nicht als reale Tatsachenbehauptungen aufgestellter – Beleidigungen in Gedichtform eine juristisch gerechtfertigte und vor allem eine dem satirisch kritisierten Sachverhalt angemessene Satire. Tatsächlich also liegen Feind und Anfeindungen sehr nah beieinander und sind in satirisch überspitzer Form deutlich aufeinander bezogen.

    Wäre Erdogan lernfähig und -willig, könnte er diese Absicht begreifen und Demut üben. Seine tatsächliche Reaktion kennen wir.

    Aber Satire richtet sich ja nicht nur an die satirisch überzeichnete Person selbst. Der satirische Spiegel dient ja genauso dazu, eine öffentliche Debatte über das satirisch kritisierte Verhalten in Gang zu bringen, die ihrerseits im besten Falle Rückwirkungen auf dieses Verhalten haben kann.

    Dieser Versuch Böhmermanns ist ehrenwert. Er hat dafür auch zurecht die moralische Unterstützung von Springer-Chef Döpfner erhalten, die ihm die Bundeskanzlerin durch ihre fatalen Äußerungen und Entscheidungen in diesem Zusammenhang verweigert hat – für mich persönlich ein politischer Skandal ersten Ranges!

    Fazit: Wenn wir die Meinungsfreiheit in Deutschland gegen Erdogans vielfältige Versuche, diese über die Türkei hinaus auch in Deutschland und in anderen europäischen Ländern willkürlich zu beschneiden, ernsthaft verteidigen wollen, ist eine andere Entscheidung als die des LGs Köln gar nicht denkbar!

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