Was steckt hinter dem Anti-Piraterie-Abkommen Acta?

Das internationale Handelsabkommen Acta erhitzt die Gemüter. Seit Wochen protestieren in ganz Europa Zigtausende gegen das strittige Anti-Counterfeiting Trade Agreement. In den Medien wird von der Revolte der „Generation Download“ oder „Generation Kostenlos“ gesprochen. Die Netzgemeinde hingegen befürchtet das Ende des freien Internets. Doch worum geht es beim Anti-Produktpiraterie-Handelsabkommen wirklich?

Ziele und Entstehung von Acta

Ziel des Anti-Counterfeiting Trade Agreements ist die Durchsetzung internationaler Urheberrechte. Die Verhandlungen zu dem Copyright-Pakt zwischen der EU, Australien, Kanada, Japan, Korea, Mexiko, Marokko, Neuseeland, Singapur, der Schweiz und den USA begannen bereits im Juni 2008. 22 Staaten unterzeichneten am 26. Januar dieses Jahres das Abkommen in Japan. Zuvor hatte der EU-Ministerrat am 16. Januar seine Zustimmung gegeben. Dieses „gemischte Abkommen“ muss sowohl von Mitgliedstaaten als auch vom EU-Parlament ratifiziert werden. Angesichts großer Proteste stoppten im Februar 2012 Polen, Tschechien, Lettland, die Slowakei und Deutschland den Ratifizierungsprozess.

Der Vertragstext ist öffentlich und seit Ende 2011 auf den Seiten der EU-Kommission abrufbar. Nicht veröffentlicht wurden die Entwürfe des Abkommens. Einer davon soll sogar Netzsperren vorgesehen haben. Diese umstrittenen Passagen wurden aus der finalen Version gestrichen.

Die Umsetzung der Acta-Ziele

Obwohl Netzsperren nicht auftauchen, sollen Internetprovider zu mehr Überwachung bewegt werden. Man wolle „Kooperationsbemühungen im Wirtschaftsleben“ fördern, um „Verstöße gegen Marken, Urheberrechte oder verwandte Schutzrechte wirksam zu bekämpfen“. Eine Beschränkung der Haftung von Internet-Dienste-Anbietern wird festgelegt, aber nicht weiter ausgeführt. Denkbar ist, dass Unterzeichnerstaaten das Haftungsprivileg der Provider an bestimmte Bedingungen knüpfen, zum Beispiel dass nur derjenige, der Raubkopien von seinen Servern löscht, nicht haftet.

Acta verbietet aber explizit Mittel zum Knacken von Kopierschutz-Techniken

In dem entsprechenden Abschnitt sind Ausnahmen nicht vorgesehen, das Recht auf eine Privatkopie taucht nicht auf. Dies ist für das deutsche Urheberrecht nichts neues, da die Umgehung des Kopierschutzes zum Erstellen einer Privatkopie schon heute in Deutschland verboten ist.

Die Bedenken

Es ist aus unserer Sicht problematisch, dass Acta unter Ausschluss der Öffentlichkeit und unter großem Einfluss von Lobbyisten entstanden ist. Im Text wird viel zu vage beschrieben, wie die Durchsetzung dieser Rechte erfolgen soll – es ist zu befürchten, dass derartige Formulierungen den Weg für schwerwiegende Eingriffe ins Internet, beispielsweise Netzsperren, frei machen könnten. Es gibt auch Datenschutzbedenken, da Provider gezwungen werden könnten, Daten ihrer Kunden zu speichern und weiterzugeben.

Man muss darauf achten, dass die Rechtsdurchsetzung im Internet nicht in private Hand übergeht. Internetprovider dürfen nicht als „Hilfssheriffs“ der Content-Industrie missbraucht werden.

Aktueller Stand

Die deutsche Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) will mit der Unterschrift und der Ratifizierung im Bundestag bis zur Entscheidung des EU-Parlaments warten. „Die Bundesregierung wird dem Koalitionsvertrag entsprechend keinerlei Initiativen für gesetzliche Internetsperren bei Urheberrechtsverletzungen ergreifen. (…) Ich will gerade keine Überwachung der Kommunikation im Internet.“

Diese Entscheidung ist sehr zu begrüßen.

(tr) in Zusammenarbeit mit (AB)

Von Tobias Röttger

Blogger, YouTuber, Rechtsanwalt und Gesellschafter von gulden röttger | rechtsanwälte. Meine Steckenpferde sind das Geistige Eigentum, Social Media, Persönlichkeitsrechte, Internet und Musik.

Ein Kommentar

  1. „Ich will gerade keine Überwachung der Kommunikation im Internet.“

    Wie muss man das denn lesen? Ist es denkbar, dass sie irgendwann Überwachung wollen könnte? Klingt ja dann weit weniger definitiv.

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